Mar
08
2016
Herr Josef Votzi,
Herr Helmut Brandstätter,
Normalerweise schreibe ich nicht an Zeitungen oder Journalisten. Ich versuche möglichst alles zu lesen, um mir eine Meinung über die Medien und die Journalisten zu bilden, die in diesen schreiben. Ich habe mit Bedacht fast alles gelesen, was in den österreichischen Medien über den Besuch des Bundespräsidenten Heinz Fischer in Kuba veröffentlicht wurde. Im Großen und Ganzen habe ich in aller Unterschiedlichkeit der Standpunkte Objektivität und Genauigkeit festgestellt. Das ist gesund für die Presse, aber vor allem für die Leser.
Von Ihrem Artikel „DDR mit Meerblick und vage Aussichten“ (Kurier, 4. März 2016) kann ich das leider nicht behaupten. Ganz im Gegenteil, ich hatte den Eindruck, einen alten Artikel einer westlichen Zeitung aus den Siebzigerjahren des vorigen Jahrhunderts zu lesen. Unzulässige und zwanghafte Vergleiche, ideologische Vorurteile sowie eine harte und unnötige Sprache, mehr zu den Zeiten des Kalten Krieges passend als zu der gegenwärtigen Welt, in der wir leben.
Oder Sie haben keine Zeit gehabt es zu verstehen - weder vor noch während des Besuches, der gewiss kurz war - oder Sie haben Ihr Manuskript schon angefertigt, bevor Sie den Flieger nach Havanna bestiegen haben.
Sie sprechen über „Angst und Paranoia“ in Kuba und sagen, dass das „Regime“ die unkontrollierte Kommunikation und das Internet fürchtet. Offensichtlich, waren Sie nicht bei uns auf den Straßen, haben keinen Friseur besucht noch haben Sie in der reichen kubanischen Bloggerlandschaft gesurft. Was das „Regime“, wie Sie sagen, nicht hat, sind die erforderlichen technologisch Ressourcen um einen massiven Internet-Zugang zu ermöglichen.
Sie sagen, dass die Kubaner (man müsste wissen wer und wo, abhängig vom politischen Ufer) die vergangenen Jahrzehnte in „before Castro“ und „after Castro“ einteilen. Es sieht so aus, dass Sie sich entscheiden haben, den Besuch Kubas vom anderen Ufer aus zu beschreiben und nicht von Havanna aus. Wir haben eine andere Einteilung: „vor der Revolution“ und „nach der Revolution“. Sie meinen, die BC-Zeiten sind mit den prachtvollen Häuserfronten am Hafen und in des kolonialen Havanna, und die AC-Zeiten mit der Mangelwirtschaft und dem Zerfall verbunden. Sehen Sie, wir verbinden die Zeiten vor der Revolution mit dem Diebstahl und der Korruption, dem Analphabetismus und der Gesundheitsgefährdung, mit einer blutigen brutalen Diktatur, die den kubanischen Familien gegenüber Gewalt, Verbrechen und Folter verübt hat.
Die Zeit nach der Revolution assoziieren wir mit der Freiheit, mit dem Stolz, ein unabhängiges Vaterland zu haben, mit der unermüdlichen Suche nach Sozialer Gerechtigkeit, mit dem andauernden Widerstand gegen die längste und grausamste Blockade, die ein Volk je erlitten hat, mit der Schaffung der höchsten Bildungs-, Gesundheits-, Sport- und Sicherheitsdaten für alle, unter den Bedingungen eines kleinen, unteretwickelten und blockierten Landes. Nicht nur ich sage das, das sagen die internationalen Organisationen der Vereinten Nationen.
Schließlich die unglückliche Schlagzeile: Obwohl wir den gleichen Traum haben, eine bessere, gerechtere und solidarischere Gesellschaft aufzubauen und aus diesem Grund den gleichen hartnäckigen Feind haben; Kuba war nicht, ist nicht und wird nicht die DDR sein. Dies aus einem ganz einfachen Grund: die DDR ist gemeinsam mit der berühmten Mauer eingestürzt und Kuba bleibt bestehen, und das trotz der größten Blockade-Mauer, die seit mehr als 50 Jahre um uns gebaut wurde, jedoch zerbröckelt diese jetzt auch.
Aus alle diesen Gründen und noch vielen anderen sind wir siegreich bis hierher gekommen und haben nicht die geringste Absicht aufzugeben oder unseren Weg zu verlassen. Wir streben nach der größtmöglichen Gerechtigkeit mit einem erfolgreichen und nachhaltigen Sozialismus für alle Kubaner.
Wien, 08.03.2016
Juan Antonio Fernández
Botschafter
Vermerk: Falls die Presse- und Meinungsfreiheit es erlauben, wäre ich Ihnen unendlich dankbar, wenn Sie diese Stellungnahme veröffentlichen.
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