Brief des Botschafters der Republik Kuba in Österreich, Juan Antonio Fernández Palacios, an die Redaktion der österreichischen Zeitung Die Presse

Wien, 26. April 2018

Sehr geehrter Direktor von Die Presse,

Aufgrund meiner Verantwortung bin ich daran gewöhnt, fast alles zu lesen, was in Österreich über Kuba veröffentlicht wird. Ich verdaue mit mehr oder weniger Vergnügen, was ich lese, und selten richte ich mich an eine Zeitung. Heute tue ich es aufgrund des echten Ekels, dass der Artikel Raúl Castro, der kubanische Tyrannosaurus Rex vom Journalist Thomas Vieregge mir gelassen hat, der in Die Presse am 17. April 2018 veröffentlicht wurde.

Als Bürger, Revolutionär und Berufsdiplomat bin auch der Meinung, dass die Meinungs- und Pressefreiheit Grundrechte sind, die in alle demokratischen Systeme geübt werden sollen, aber sie dürfen nicht in den Schutz für die Schmähung und die Beleidigung umwandeln. Die Möglichkeit zu schreiben in einer Zeitung, was man denkt, soll immer von einem höheren Recht begrenzt sein: das Recht der Ehre, des Anstands, und vor allem der Verantwortung. Man kann nicht vorhaben, Pfeile voll von Vorurteile, Demagogie und Lügen gegen ein Volk und seine Nation zu verschießen, ohne eine angemessene Antwort zu bekommen.Ich könnte mehrere Seiten mit Angaben und Tatsachen über die Bedeutung der Kubanischen Revolution in den Bereichen Gesundheitswesen, Bildungswesen, Sozialversicherung, Ernährung, kulturelle und menschliche Entwicklung, und vor allem Unabhängigkeit, Freiheit und Würde für alle Kubaner und Kubanerinnen schreiben. Aber das ist nicht nötig. Das kennt Herr Vieregge sehr gut, obwohl er das aufgrund ideologischer Vorurteile verschweigt und auslässt hat.

Kein historischer Prozess, vor allem ein mit einem revolutionären und sozialistischen Charakter, kann sich jahrelang aus purer Laune von jemandem oder durch dem angeblichen „repressiven“ Verhalten einer Einrichtung anhalten. Diese Prozesse benötigen vor allem die Unterstützung und der Konsens des Volkes. Die Unterstützung der ganze Nation zu bekommen und diese Unterstützung unveränderlich für fast 60 Jahre zu erhalten, ist es nicht nur mit Reden oder Charismen möglich. Wenn Kuba heutzutage eine sozialistische Revolution hat, wenn unsere wichtigsten führenden Persönlichkeiten Fidel und Raúl Castro waren, wenn wir ein echtes demokratisches System mit der Bewilligung der Verfassung besitzen, und wenn wir jetzt einen Generationswechsel in der Führung des Staates haben, die eine Kontinuität unseres politischen und sozialen Projekts bedeutet, ist nur der souveränen Entscheidung und dem souveränen Willen des kubanischen Volkes zu danken, das genug frei, gebildet, heldenhaft und kultiviert ist, um sein eigenes Schicksal bestimmen zu können.

Kuba ist nicht dieses Land, das Herr Vieregge in seinem Artikel groteskerweise beschreibt. Die Behauptung, dass in fast 60 Jahre in Kuba im Grunde nichts gerändert hat, kommt von jemandem, der mit einer ideologischen Absicht das Vorhaben hatte, seine eigene professionelle Ethik mit Füßen zu treten, und das heilige Gebot der Objektivität wegzuwefen, das bei jeder journalistischen Arbeit im Vordergrund stehen soll, und so macht er sich über die LeserInnen lustig. Er anstürmte gegen ein Land, das seit mehr als fünfzig Jahre seinen eigenen Weg mit viel Mühe und Würde gehen sollte, und das trotzt der eisernsten und längsten wirtschaftlichen Blockade der Geschichte, die von der mächtigsten Weltmacht verhängt wurde, und unter anderen die Freiheit zum Handeln und die Aufnahme kultureller, technischer und akademischer Beziehungen des kubanischen Volkes mit anderen Nationen, auch in Europa, beschränkt. Und diese eindeutige und offenkundige Tatsache, die jährlich von der internationalen Gemeinschaft einstimmig abgelehnt ist, wurde in diesem Artikel arglistig ignoriert.

Vor fünf Jahre besuchten Kuba eine Million Personen, um unsere Kultur, Geschichte und Gewohnheiten kennenzulernen, aber auch um unsere Güte zu genießen. Dieses Jahr werden wir den Besuch von mehr als fünf Millionen, darunter fast 30 Tausend Österreicher, bekommen. So viele Personen, in einer zunehmenden Anzahl, können sich nicht irren.

Die baldige Ende des Sozialismus in Kuba vorauszusagen und entsprechend zu handeln, war die fixe Idee von zwölf US-Administrationen, auch von der gegenwärtigen, sowie das Ergebnis des intellektuellen Vergnügens von einigen Politologen, Think-Tanks und Abtrünnigen der westlichen Welt. Ich brauche mich nicht sehr bemühen, um den totalen Misserfolg dieser Voraussagen zu beweisen, und meine Hand zittert auch nicht, um zu garantieren, dass Herrn Vieregge das gleiche Schicksal blühen wird.

Herr Journalist und die Zeitung, die ihm Obdach gewährt:

Ärgern Kuba nicht! Respektieren Sie Kuba!

Hochachtungsvoll,

Juan Antonio Fernández Palacios

Bemerkung: Wenn die Meinungsfreiheit es erlaubt, bitte ich Sie darum, in Ihrer Zeitung diesen Brief vollständig zu veöffentlichen.

Categoría
Comunidad cubana