Urteil des Internationale Tribunal über die Sanktionen der USA gegen die Republik Cuba

 

 Das Internationale Tribunal über die Sanktionen der USA gegen die Republik Cuba

verkündet folgendes Urteil:

1. Die seit 1961 bis heute gegen die Republik Cuba verhäng­ten umfangreichen politischen und ökonomischen Sank­tionen verstoßen gegen internationales Recht. Dazuge­hören vor allem in der UNO-Charta die Art. 2 Zif. 4 und 7 zum Schutz der Souveränität und des Rechts auf Selbst­bestimmung, Verbot der Intervention, ferner die Artikel in der Universal Declaration of Human Rights (UDHR) von 1948 und des International Covenant on Economic, Social and Cultural Rights (ICESCR) von 1966, sodann die Vors­chriften der World Trade Organisation (WTO) zum Schutz der Handelsfreiheit und zahlreiche Prinzipien des Treaty on European Union (TEU, Vertrag von Maastricht).

GRÜNDE

I.

Seit 1960 haben die USA ein immer umfassenderes Netz an Sanktionen gegen alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens in Cuba aufgebaut, welches tief in die Lebensbe­dingungen der kubanischen Bevölkerung einschneidet. Aufbauend auf dem „Trading with the Enemy Act“of 1917 hat die US-amerikanische Regierung nach der Revolution in Cuba 1959 eine Reihe weiterer Gesetze und Verordnun­gen erlassen. So 1961 den „Foreign Assistance Act “, 1993 die „Cuban Assets Control Regulations “, 1992 den „Cuban Democracy Act“, den sog. Torricelli Act, 1996 den “Cuban Liberty and Democratic Solidarity Act“, den sog. Helms Bur­ton Act und 200O den „Trade Sanction Reform and Export Enhancement Act“. Zielsetzung all dieser Maßnahmen war es, die sozialen, ökonomischen und kulturellen Errungen­schaften der Revolution von 1959 zu zerstören. Bereits 1960 hat Lester Mallory, Deputy Assistant Secretary of State for Inter- American Affairs offen die Strategie der US-amerika­nischen Administration artikuliert: es gehe darum, die Vitali­tät der kubanischen Wirtschaft zu schwächen, Hunger und Verzweiflung zu provozieren und Unzufriedenheit zu sähen um einen regime change zu erleichtern. Wörtlich: „every possible means should be untertaken promptly to weaken the economic life of Cuba... (by) denying money and sup­plies to Cuba to decrease monetary and real wages, to bring about hunger, desperation and overtrow of government”. Diese kriminellen Prinzipien haben die US-amerikanische Sanktionspolitik gegenüber Kuba bis heute geleitet.

Das Tribunal hat in zwei Tagen Verhandlungen zahlreiche Zeugen gehört und umfangreiche Beweise gesammelt. Es hat die detaillierte Anklage gehört und die Argumente zur Verteidigung der angeklagten US-amerikanischen Administ­ration geprüft. Sie hat zahlreiche Beispiele für die tiefen Ein­griffe der Sanktionen in fast alle Bereiche des gesellschaftli­chen Lebens präsentiert bekommen, die den Eindruck einer totalen Blockade Kubas mit immer neuen Restriktionen ver­mittelt. Die einzigen Erleichterungen von Reisen und Geld­überweisungen von und nach Kuba unter Präsident Obama wurden von der Regierung Donald Trump wieder aufge­hoben und durch weitere Maßnahmen verstärkt. Auch der Wechsel der Regierung zu Präsident Jo Biden brachte keine Erleichterungen.

Die Sanktionen treffen den gesamten Wirtschafts- und Fi­nanzsektor, sie zielen auf die technologische Souveränität Kubas, die für die ökonomische Entwicklung und den Zu­gang zu technologischen Neuerungen lebenswichtig ist. Der internationale Zahlungsverkehr ist für Kuba praktisch ge­schlossen.

Schwerste Schäden haben die Sanktionen im gesamten Be­reich des Public Health verursacht. Das Gesundheitssystem in Kuba hat weltweite Anerkennung durch seine vorbildliche Versorgung der Bevölkerung aber auch durch die hervorra­genden Ergebnisse seiner pharmazeutischen Forschung und Industrie erlangt. Die extraterritorialen Wirkungen der Blo­ckade haben sowohl den Import notwendiger Komponenten zur Herstellung von Medikamenten aber auch die internationale medizinische Kooperation stark behindert und sehr oft unmöglich gemacht. Die materiellen Schäden, berechnet in $Währung, gehen in die dreistellige Millionenhöhe.

Die Blockade hat eine immer stärkere Kürzung der Versor­gung mit Brennstoff verursacht, die nicht nur alle Anstren­gungen eines industriellen Fortschritts behindert, sondern auch die Kosten der täglichen Versorgung der Bevölkerung in die Höhe treibt. Das ist ebenfalls in der Landwirtschaft stark zu spüren, für die die Sanktionen dramatische Folgen, sei es bei dem Import von Düngemitteln und Herbiziden oder den Betrieb des Bewässerungssystems.

Auch der Erziehungssektor, ebenfalls international als vor­bildlich anerkannt, wird von den Sanktionen nicht verschont. Er behindert stark alle online Erziehungsmöglichkeiten, be­hindert durch den Mangel an ausländischer Währung den internationalen Austausch und die Ausstattung der Schulen und Hochschulen mit notwendigen Ausrüstungen und Lehr­material.

Insgesamt hat die Beweiserhebung durch Zeugen, Videos und Dokumente den Eindruck eines konzentrierten Angriffs auf die Grundstrukturen der kubanischen Gesellschaft, ihre Lebensgrundlagen und Entwicklungsfähigkeiten ergeben, die in der Geschichte in dieser Dauer und Umfang einmalig und ohne Beispiel ist.

II.

Diese Praxis der Sanktionen gegen die Republik verstößt in allen Aspekten gegen internationales Recht und ist rechts­widrig. Dies hat jüngst die UN-Generalversammlung in ihren Resolutionen vom 23. Juni 2021 (A/RES/75/289) und 3. No­vember 2022 (A/RES/77/7) sowie am 4. November 2023 auf Antrag von Kuba (A/78/L.5) ebenfalls erkannt und die US-Regierung zur Aufhebung ihrer Gesetze aufgefordert.

1. Die Sanktionen verstoßen eindeutig gegen die Souverä­nität und das Selbstbestimmungsrecht Kubas, die gem. Art. 2 Abs. 1 UNO-Charta geschützt ist, und das Inter­ventionsverbot der Artikel 2 Z. 4 und Z. 7 UNO-Charta. Am 4. November 2023 hat die UN-Generalversammlung mit überwältigender Mehrheit von 287 Stimmen gegen 2 Stimmen bei 1 Enthaltung zum 31. Mal die Staaten aufgefordert „to refrain from promulgating and appl­ying laws and measures of the kind referred to in the preamble to the present resolution (Helms-Burton Act)“. Die Resolution basiert auf der eindeutigen Entscheidung, dass einseitige Sanktionen rechtswidrig sind, wenn ihre Auswirkungen einen bestimmten Grad der Schwe­re überschreiten. Obwohl diese Schwelle nicht definiert wird, lassen die Dauer, der Umfang und die Zielsetzung der Sanktionen keine Zweifel an ihrer Rechtswidrigkeit zu. Die USA können sich auch nicht auf Rechtfertigungs­gründe berufen. Die Sanktionen können nicht als Reak­tion auf völkerrechtswidriges Verhalten gelten. Sollte die Nationalisierung nach der Revolution von Immobilien im Besitz US-amerikanischer Bürger gemeint sein, so ents­prach sie dem Grundsatz der Souveränität jeden Staates über die natürlichen Ressourcen (UNGV Res. 1803v. 14. Dezember 1962) und war gerechtfertigt. Außerdem ver­folgen der Helms- Burton Act und die Sanktionen aus­drücklich vollkommen andere Ziele, die nicht auf Resti­tution oder Recompensation gerichtet sind, sondern auf regime change. Die USA können sich auch nicht auf den Schutz der Sicherheit ihres Staates berufen. Obwohl die USA Cuba auf eine Liste von Staaten, die angeblich den Terror unterstützen, gesetzt haben, sind sie von Cuba nie bedroht worden.

2. Die von den USA gegen Kuba gerichteten Sanktion ver­letzen zudem zahlreiche Menschenrechte, wie sie insbe­sondere in dem UN „Covenant on Economic, Social and Cultural Rights“ (ICESCR) von 1966 enthalten sind. Diese Rechte sind ebenso verbindlich und verpflichtend wie die politischen und bürgerlichen Rechte. Bereits 1997 hat das „Committee on Economic, Social and Cultural Rights” festgestellt, dass einseitige ökonomische Maßnahmen “often cause significant disruption in the distribution of food, pharmaceuticals and sanitation supplies, jeopardize the quality of food and the availability of clean drinking water, severely interfere with the functioning of basic health and education systems, and undermine the right to work.” Die Beweisaufnahme hat erwiesen, dass die­se schädlichen Folgen im Leben der Kubaner eingetreten sind. Das bedeutet, dass das Recht zu arbeiten (Art. 6 ICESCR) zu gerechten und günstigen Bedingungen mit Löhnen, die ein angemessenes Leben (Art. 7, 11 ICESCR) ermöglichen, verletzt werden. Ebenso wird das Recht auf Gesundheit (Art. 12 ICESCR) nachhaltig durch die Behin­derung des Imports von medizinischen Geräten für die Kliniken und pharmazeutischen Produkten für die Herste­llung eigener Medikamente verletzt. Ebenso sind das Re­cht auf Erziehung (Art. 13 ICESCR) und auf Wissenschaft und Kultur (Art 15 ICESCR) durch fehlende Ausrüstung und Lehrmittel sowie die Erschwerung wissenschaftli­cher und kultureller internationaler Kontakt stark gefähr­det und beeinträchtigt.

Anders als alle Mitglieder der EU haben weder die USA noch Kuba oder die EU den ICESCR ratifiziert. Doch herr­scht in der internationalen wissenschaftlichen Diskussion Einigkeit, dass diese Menschenrechte auch für Staaten und Staatenbünde auf Grund Gewohnheitsrechts verpfli­chtende Gültigkeit haben.

3. Die Sanktionen sind auf die Einschränkung des Handel­sverkehrs Cubas mit anderen Staaten, die Blockade des Im- und Exports lebensnotwendiger Waren und die Zers­törung des Finanzverkehrs gerichtet. Sie stehen damit in Widerspruch zu zahlreichen Vorschriften des internatio­nalen Handelsrechts, wie sie im Recht der WTO kodifiziert sind. So verbietet Art. XI des „General Treaty on Tariffs and Trade (GATT) von 1947, dem die USA beigetreten sind, die Beschränkung von Im- und Exporten. Das Ein­frieren von Guthaben und die Einschränkung internatio­naler Überweisungen und Zahlung ist ebenfalls verboten. Auch Art. III section 2 der „Articles of Agreement of the International Monetary Fund“ vom 22. December 1945 bestimmt, dass die Mitglieder alle Beschränkungen of cu­rrent payment und diskriminierende Währungspraktiken zu unterlassen haben. Art. XVI (1) GATS bestimmt, dass Mitglieder der WTO wie die USA natürlichen Personen in verschiedenen Dienstleistungssektoren Bewegungsfrei­heit geben müssen. Auch hier gibt es Ausnahmen aus Gründen wesentlicher Sicherheitsinteressen (Art. XIVbis GATS), die aber für die USA gegenüber Kuba nicht zu­treffen. Weder militärische noch politische oder ökono­mische Aktivitäten Kubas bedrohen die USA. Schließlich weigern sich die USA, das für Handelsstreitigkeiten im System der WTO vorgesehene dispute settlement system einzuschalten, welches in Art. III Paragraph 7 Annex 2 zu GATT 1994 ausdrücklich vorsieht, dass ...“in the absence of a mutually agreed solution, the first objective of the dispute settlement mechanism is usually to secure the withdrawal of the measures concerned (in this case the blockade) if these are found to be inconsistent with the provisions of any of the covered agreements“. Die USA waren niemals an einer friedlichen Lösung der Strei­tpunkte interessiert, da sie Kubas Ökonomie schwächen wollten, um die Regierung zu stürzen.

4. Die Sanktionen gegen Kuba haben weitreichende Auswir­kungen auf extraterritoriale Unternehmen und Staaten, sei es im Bereich des Handels, der Finanzen, der Inves­titionen bis zum Tourismus. Die UN-Generalversammlung hat in ihren wiederholten Resolutionen, in denen sie die Aufhebung der US-Sanktionen fordert, insbesondere den Helms Burton Act genannt, da er auf die „extraterritorial effects“ zielt, „of which the sovereignty of other States, the legitimate interests or persons under their jurisdic­tion and the freedom of trade and navigation“ (UN DOC A/RES/74/7). Ebenso hat die EU bereits 1996 Gesetze und Verordnungen mit extraterritorialer Wirkung als Vers­toß gegen internationales Recht verurteilt, da sie unter Verletzung des Interventionsverbots in die Souveränität fremder Staaten eingreift. Sie hat sogar mit ihrer sog. blocking resolution (Council Regulation (EC) No 2271/96 of 22. Nov. 1996) europäischen Unternehmen verboten, die extraterritorialen Maßnahmen zu befolgen, alle aus­ländischen Gerichtsbeschlüsse, die auf den Drittwirkun­gen der Sanktionsgesetze beruhen, für nichtig erklärt und ein Recht auf Kompensation für Schäden und Verluste auf Grund dieser Gesetze beschlossen.

Gesetzliche Maßnahmen mit extraterritorialen Wirkungen verstoßen zudem gegen zentrale Maastricht Prinzipien, z.B. No. 3 und 4: „ All states have also extraterritorial obli­gations to respect, protect and fulfil economic, social and cultural rights“ sowie No. 13: „States must desist from acts and omissions that create a real risk of nullifying or impairing the enjoyment of economic, social and cul­tural rights extraterritorially.” Schließlich fordert Prinzip No. 22 ausdrücklich: “States must refrain from adopting measures, such as embargoes or other economic sanc­tions, which would result in nullifying or impairing the en­joyment of economic, social and cultural rights… States must refrain in all circumstances from embargoes and equivalent measures on goods and services essential to meet core obligations.”

Nach dem Internationalen Strafrecht, welches im Römis­chen Statut von 1998 kodifiziert ist, sind Verberechen gegen die Menschlichkeit solche, die allgemeine oder systematische Angriffe gegen die Zivilbevölkerung sind. Es sind die Auslöschung, Versklavung, Deportation oder erzwungene Vertreibung, der Entzug physischer und inte­llektueller Freiheit, die Verfolgung einer Gruppe auf Grund rassischer, ethnischer oder nationaler Gründe etc. Im vor­liegenden Fall ist es die Blockade, die sie zwar Embar­go oder Sanktionen nennen, die jedoch das Leben der Menschen, die Freiheit, Rechte und Würde untergräbt und daher ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit darstellt.

Blockaden sind eines der heimtückischsten, illegalen und illegitimen Formen der Kriegsführung, selbst wenn sie sich auf internationale Verträge und Gesetze berufen, um ihr Handeln zu tarnen.

Nach Art. II der Genfer Konvention zur Verhütung und Bestrafung des Völkermords von 1948 Paragraph c be­deutet Völkermord die “vorsätzliche Auferlegung von Lebensbedingungen für die Gruppe, die geeignet sind, ihre körperliche Zerstörung ganz oder teilweise her­beizuführen”. Der dramatische und gewaltige Einfluss der oben erwähnten Gesetze und Vorschriften, die seit mehr als 60 Jahre durchgesetzt werden, zeigt, dass kei­ne Blockade so umfassend, lang andauernd und brutal gegen ein Volk je gewesen ist, wie das der USA gegen das kubanische Volk. Die Blockade hat direkt oder indi­rekt zum Verlust zahlreicher Menschenleben geführt. Die Entscheidung der USA, die Blockade so lange aufrecht zu erhalten, bis das kubanische Volk entscheidet, sich den Vereinigten Staaten zu beugen, zielt schließlich auf die physische Zerstörung zumindest eines Teils des kubanis­chen Volkes. Solch eine Haltung kann auf ein Verbrechen des Völkermords hinauslaufen.

5. Da die zahlreichen Sanktionen und die ihnen zugrunde liegenden Gesetze der USA rechtswidrig sind, müssen sie aufgehoben und gestoppt werden. Für die dem kubanis­chen Staat, seinen Unternehmen und Bürgern entstan­denen Schäden müssen die USA Entschädigung zahlen.

 

Brüssel, d. 17. November 2023

Prof. Dr. Norman Paech (BRD), RAin Susenne Adely (USA), Prof. Ricardo Avelãs (Portugal), Daniela Dahn (BRD), Prof. Mauricio Dioguardi, vertreten durch RA Simone Dioguardi (Italien), Prof. Dr. Dimitris Kaltsonis (Griechenland)

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